Der Anbau der Fasernessel
Wer in einem Garten oder in der freien Natur einmal auf die Brennnessel gestoßen ist, wird sie in den folgenden Jahren immer wieder an der gleichen Stelle finden:
Die Brennnessel ist eine dauerhafte („perennierende“) Pflanze, damit wird eine landwirtschaftlich genutzte Fasernessel zwangsläufig zu einer Dauerkultur, steht also für viele Jahre auf ein und demselben Feld.
Anders als beim Anbau von Obst oder Wiesen tut der Anbauer gut daran, den unmittelbaren Hautkontakt mit seiner Dauerkultur zu vermeiden: Die Fasernessel hat Brennhaare mit einer verkieselten Sollbruchstelle an der Spitze, die mit einem fast unglaublichen biochemischen Cocktail gefüllt sind und die diese Chemiewaffe dem ihr zu nah Gekommenen unter die Oberhaut injizieren. In diesem Cocktail enthalten ist Histamin, ein auch im menschlichen Körper gebildeter Botenstoff bei Entzündungsreaktionen. Daneben findet sich Acetylcholin, das bei uns für die Erregungsübertragung von Nerv an Muskel sorgt sowie Serotonin, welches u.a. die Spannung der Blutgefäße reguliert. Darüber hinaus enthalten die Brennhaare noch Ameisensäure und deren Salze; bereits wenige Zehntausendstel Milligramm genügen um Brennen und Juckreiz auszulösen.
Die Fasernessel ist zweihäusig, d.h. männliche und weibliche Blüten befinden sich auf unterschiedlichen Pflanzen, die Befruchtung erfolgt über vom Wind verbreitete Pollen. Die von einer einzigen Mutterpflanze gebildeten Samen stammen so denn auch vom Pollen dutzender Väter.
Es wundert daher nicht, wenn sich aus diesen Samen dann neue Pflanzen mit von der Mutterpflanze stark abweichenden Eigenschaften entwickeln. So fand man bei einem Vergleich des Fasergehaltes der Mutterpflanze mit denen der aus ihrer Saat gezogenen Pflanzen einen Rückgang von etwa 2 %; ein Indiz dafür, dass auch im Sinn des Züchters unerwünschte Väter zum Zug gekommen sind.
Die Samen sind zudem sehr klein, 1.000 Samen wiegen nur 0,1 bis 0,2 g und weisen daher, einmal ausgesät, eine sehr langsame Jugendentwicklung auf. Deshalb sind aus Saatgut gezogenen Bestände wesentlich konkurrenzschwächer als gepflanzte Bestände, obwohl bei Aussaatmengen von etwa 5 kg / ha immerhin 25 Millionen Samen auf einen Hektar ausgebracht werden.
In der landwirtschaftlichen Praxis wird die Fasernessel meist nicht ausgesät, sondern es werden aus Stecklingen gezogene komplette (d.h. bewurzelte) Pflanzen ausgepflanzt, ähnlich wie dies bei Feldgemüse üblich ist.
Auf diese Weise kann auch die im Feldgemüsebau gebräuchliche Pflanztechnik verwendet werden.
Zur Auspflanzung kommen entweder rein männliche oder rein weibliche Stämme. Die Bestandesdichte liegt meist zwischen 20.000 und 40.000 Pflanzen je ha. Der Standraum wird häufig so zugemessen, dass nach einigen Jahren etwa gut eine Hälfte der Bodenoberfläche von der Fasernessel eingenommen wird, während der Rest unbewachsen bleibt und beispielsweise flach gehackt oder gemulcht werden kann.
Die freien Räume wachsen oberirdisch im Frühsommer ohnehin rasch zu. Durch diese Beschattung sowie ihre starke Konkurrenz um Wasser und Nährstoffe unterdrückt die Fasernessel unerwünschte Fremdpflanzen im Bestand.
Da ohnehin in jedem Frühjahr mehr Sprossen aus den überwinternden Wurzeln austreiben, als die Pflanze anschließend für Wachstum und Vermehrung benötigt, bildet die Nessel einen Teil der ausgetriebenen etwa Tausend Sproßen je m2 zurück und lässt nur rund 300 Stängel je m2 in die Höhe wachsen.
Im ersten Standjahr liegen die Erträge bei Drillsaat etwa bei 1,5 bis 2,5 t Trockenmasse je ha, bei Pflanzung sind sie etwa doppelt so hoch.